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Ein Freitag im Lockdown

Es folgt die überspitzt gezeichnete, aber doch typische Online-Besprechung mit einer Unterstufenklasse im Homeschooling. Alles, was in dieser Stunde vorkommt, ist tatsächlich passiert – aber nicht alles in einer einzigen Stunde. Die Namen der SchülerInnen wurden geändert.
Inspiriert wurde dieser Text von „Class Four-D’s Trip to the British Museum” aus dem Roman “The Secret Diary of Adrian Mole Aged 13 ¾“ von Sue Townsend.

Freitägige Online-Besprechung mit einer Unterstufenklasse

  • 9:59: SchülerInnen haben Kameras eingeschalten: Haustiere werden vor den Bildschirm gehalten; Leon rennt seinem Hund quer durch die Wohnung hinterher – die Handykamera ist eingeschaltet und filmt alles – so viel will man als Lehrerin gar nicht sehen.
  • 10:00: Anwesenheit wird kontrolliert: Sind alle SchülerInnen anwesend? Mia und Tobias fehlen. Daher werden die beiden eingeladen.
  • 10:03: Bildschirm ist geteilt, die letzte HÜ im Schulbuch wird verglichen. Ich: „Öffne dein Buch und vergleiche mit. Wenn notwendig, korrigiere Falsches.”
  • 10:04: Tobias zeigt auf. „Ich bin jetzt erst gekommen. Was habe ich versäumt?”
  • 10:10: Wir sind mittlerweile beim Ende der HÜ-Kontrolle. Ich: „Jakob, kannst du die nächste Übung vorlesen?” Jakob: „Ich finde mein Buch nicht.” Ich: „Was hast du die letzten fünf Minuten gemacht?” Jakob: „*Stille*”.
  • 10:14: HÜ ist fertig verglichen; Mia fehlt noch immer. Nachricht im Privatchat: „Wir haben Stunde – wo bist du?“
  • 10:15: Inhalte der letzten Stunde werden wiederholt.
  • 10:17: Stefan, der selten aufzeigt, hebt die Hand. Ich freu mich und nehme ihn sofort dran. „Ich wollte nur sagen, ich geh kurz aufs Klo.” Ich bin enttäuscht.
  • 10:18: Laura hat sich bisher in der Stunde noch nicht gemeldet, ich nehme sie an die Reihe, obwohl sie nicht aufzeigt. Sie reagiert nicht. Sie schreibt eine Nachricht im Besprechungschat: „Mein Mikro geht nicht.”
  • 10:22: Stefan, der am Klo war, zeigt auf: „Ich bin zurück vom Klo. Was habe ich versäumt?”
  • 10:23: Laura, deren Mikro nicht funktioniert hat, fragt: „Hört man mich jetzt?” Es erscheinen 👍.
  • 10:24: Lukas zeigt auf. „Mein Internet ist abgeschmiert. Ich kann Ihren Bildschirm nicht mehr sehen.“ Ich beende das Teilen meines Bildschirms und teile ihn neu.
  • 10:26: Die Wiederholung ist zu Ende und ein neues Grammatikthema wird vorgestellt.
  • 10:29: Es wird folgende Nachricht angezeigt: „Die Besprechung wird aufgezeichnet.“ Ich (ungehalten): „Wer zeichnet die Stunde auf?“ Ich beende die Aufzeichnung. Jessica: „T’schuldigung, falschen Knopf gedrückt.“
    Die folgende Nachricht wird angezeigt: „Die Besprechung wird aufgezeichnet.“ Ich (noch ungehaltener): „Und wer macht jetzt diesen Schwachsinn?“ Ich beende die Aufzeichnung. Paul: „Ich glaube, das sind Sie, Frau Professor!“ Ich: „Uups, wie peinlich.“
  • 10:30: Wir schreiben eine Schulübung zu unserem neuen Grammatikthema.
  • 10:31: Kirsten: „Ich will den ersten Satz machen.“ Ich (verwirrt, weil wir noch bei der Erklärung des Grammatikthemas sind und nicht bei Übungen): „Welchen Satz?“ Schülerin: „Den ersten, den wir dann machen.“
  • 10:32: Fünf Hände erscheinen. Ich: „Gibt’s dazu schon Fragen?“ 5 SchülerInnen (gleichzeitig): „Nein, ich will den übernächsten Satz machen.“
  • 10:35: Schulübung ist beendet. Ich: „Sind alle fertig mit dem Abschreiben?“ Viele 👍 werden angezeigt. Ich will im Dokument zu den Übungen hinunterscrollen. Johanna: „Was? Das mussten wir mitschreiben?“ Ich: „Ja. Machen wir doch immer so.“ Johanna: „Dann brauche ich noch.“ Ich: „Lass es, schreib es im Anschluss an die Stunde aus OneNote ab.“ Johanna: „Mein OneNote geht nicht.“ Ich: „Ich schicke es dir im Chat.“
  • 10:36: Johanna: „Ich habe noch nichts bekommen. Haben Sie mir schon etwas geschickt?“ Ich: „Nein, nach der Stunde. Arbeite jetzt mit.“ Johanna: 👍.
  • 10:40: Wir üben das neue Grammatikthema im Übungsbuch.
  • 10:44: Christophs Kamera schaltet sich ein. Man sieht ihn im Pyjama im Bett lümmeln, neben ihm liegt die Katze. Mehrere SchülerInnen schalten ihre Mikros an und lachen.
  • 10:45: Christophs Internet „stürzt ab“ und lässt sich bis zum Ende der Stunde offenbar nicht mehr aktivieren.
  • 10:48: Abschluss der Stunde. Ich verweise auf die neue Hausübung in der Aufgaben-Seite von Teams. Moritz: „Bis wann war der Text nochmal auf?“ Ich: „Bis gestern.“ Moritz: „Oh.“ Ich: „Was heißt „oh“? Du warst am Montag und Dienstag nicht in der Schule. Da solltest du die Aufgabe gemacht haben.“ Moritz (unbeeindruckt): „Können Sie mir das noch einmal freischalten?“
  • 10:49: Ich: „Gibt es abschließend noch Fragen?“ Alle SchülerInnen: „*Stille*“. Ich: „Dann schönes Wochenende.“
    12 SchülerInnen (zeitgleich): „Schönes Wochenende“; „Auf Wiedersehen“; „Tschüss“.
  • 10:50: Ich bin nicht allein im Chat. Patrick ist noch hier. Ich: „Patrick? Hast du eine Frage?“ Patrick: „*Stille*“. Ich verlasse die Besprechung.
  • 10:56: Mia schreibt im Privatchat: „Sorry, Frau Professor. Ich habe voll verpennt. Kommt nicht mehr vor.“
  • 11:03: Die Besprechung wurde beendet. D.h. Patrick ist vom Klo zurück, aufgewacht oder hat fertiggegessen und mitgekriegt, dass die anderen seit fast 15 Minuten nicht mehr anwesend sind.

Abschließende Bemerkung: Online-Besprechungen sind super! Ich freue mich schon auf das nächste Meeting!