Das Rattern des Zuges wird leise von den Stimmen übertönt. Es wird ein Auftrag erteilt. Er lautet: 20 Fotos schießen – noch niemand ahnt, dass die sieben Zweierteams mit durchschnittlich 600 Fotos das Ziel weit übertreffen werden.
Venedig – die Stadt des Wassers. Vor uns Wasser, links, rechts, ja selbst von oben kommt es an diesem Freitag. Die Schirme sind beinahe zu breit für die engen Gassen, durch die wir unser Gepäck schleppen, verwinkelte Wege führen uns über Brücken und Treppen. Auf der Suche nach den perfekten Fotomotiven durchstreifen wir an diesem Nachmittag auf eigene Faust die Stadt des Löwen.
Wir landen an, wir danken es dem Glücke, Und die Lagune scheint zurück zu fliegen, Der Dogen alte Säulengänge liegen Vor uns gigantisch mit der Seufzerbrücke,
schrieb einst August von Platen in seinen „Sonetten an Venedig“ – und beschreibt damit ziemlich genau unseren täglichen Anblick, wenn wir mit dem Vaporetto vom Hostel auf der Giudecca zum Markusplatz fahren.
Von dort aus starten wir am Samstag gleich einen Ausflug zum ruhigsten Ort des ohnehin sehr ruhigen Venedig: Die Friedhofsinsel ist unser erstes Ziel. Tragischerweise ist es hier nicht erlaubt, an unserem Auftrag zu arbeiten. Im Gegensatz zu Murano, wo anscheinend jedes Schaufenster ein Foto wert ist und die Vorführung eines Glasbläsermeisters sogar ein Video.
Mit echtem Muranoglas in der Tasche knipsen wir uns durch die kleinen bunten Gassen von Burano und wollen jeden Türklopfer auf einem Foto verewigen. So klein die Insel auch scheinen mag, sie ist groß genug, um sich zu verlaufen. Ein Vaporetto später landen wir dann endlich auf Torcello. Fotos werden geschossen, hergezeigt, für gut befunden – und natürlich sofort nachgemacht. Wer hier die bessere Ausrüstung hat, ist klar im Vorteil.
Das Schaukeln des Vaporetto, das uns zurück zur Giudecca bringt, wiegt uns sanft in einen kleinen Powernap. Umso weiter sind die Augen dann offen, als wie jeden Tag ein Kreuzfahrtschiff direkt an unserem Fenster vorbeischippert, die Lichter spiegeln sich märchenhaft im nachtschwarzen Wasser, und kein Fotoapparat vermag das auf ein Bild zu bringen.
Am nächsten Morgen begeben wir uns gleich zum Dogenpalast, wo wir erst einmal im Innenhof verweilen. Für das perfekte Foto ist hier jedes Mittel recht, und so mancher findet selbst in der Spiegelung einer Pfütze sein Motiv für die Fotorallye. Nach Betrachtung der imposanten Wandmalereien, Tintorettos „Paradies“ als prominentestes Beispiel genannt, zieht es uns hinunter ins Gefängnis. Dort hat schon Casanova in einer Zelle geschmort und auf eine Fluchtmöglichkeit gewartet, wir aber haben unseren Spaß, gibt es doch jede Menge Gelegenheiten für witzige Fotos.
Durch verwinkelte Gassen, aus denen manche Gruppenmitglieder niemals ohne fremde Hilfe wieder hinausgefunden hätten, geht es zum sogenannten Ghetto, dem jüdischen Teil von Venedig. Der Begriff „Ghetto“ wird in unseren Breitengraden zwar meist mit Nazi-Deutschland verbunden und hat eine durchwegs negative Konnotation, tatsächlich stammt er aber aus Venedig, welches sich zur Entstehungszeit dieser Ghettos an keinerlei Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung beteiligt hat. Auch heutzutage sieht man Männer mit Kippa herumlaufen und die Auslagen in den Geschäften sind teilweise auf Hebräisch angeschrieben. Wir erkunden weiter das Ghetto und gelangen schließlich über eine Gondelwerft und zahlreiche noch verwinkeltere Gassen zu ebenso vielen Kirchen. Nach einem letzten Gruppenfoto vor der untergehenden Sonne gehen wir alle unserer Wege, die meisten davon führen jedoch zum nächsten Fastfoodrestaurant.
Den letzten Tag unseres Aufenthalts nutzen wir wieder intensiv: zuerst mit der Besichtigung des Markusdoms, welchen wir zwar nicht von innen fotografieren dürfen, was ein paar von uns aber nicht davon abhält, nun doch im Besitz solch wertvoller Aufnahmen zu sein. Dann geht es ab zum Lido. Die Sonne lacht uns bei unserer Ankunft entgegen, und wir erwidern dieses Lächeln in die Kamera, was uns einige wunderbare Strandaufnahmen beschert. Diese sind uns bereits aus dem Film „Der Tod in Venedig“ bekannt, sodass es kaum verwunderlich wäre, würde Tadzio uns aus dem Wasser zu sich winken. Die Zeit verfliegt so rasch, dass wir sie kaum bemerken, bis wir wieder zurück zum Markusplatz müssen. Nun bleibt allen noch ein wenig Freizeit, um letzte Einkäufe zu tätigen, sich von der Stadt und ihren endlosen Gässchen zu verabschieden sowie um sich fallweise zu verlaufen. Dennoch schaffen es alle wohlbehalten zurück zum Hostel.
Mit unseren Koffern warten wir auf das letzte Vaporetto, das uns zum Bahnhof bringt, von wo aus wir Venedig mit einem herzhaften Arrivederci! Lebewohl sagen – oder besser gesagt: Bis zum nächsten Mal.
Veronika Hantschel und Christine Mehlsam (8B)